Archäologiestudium auf schottischem Archipel
Zwischen Steinzeit und Moderne
Ein Studium auf einer Insel, in einem Ort mit ca. 8.000 Einwohnern, weit weg von der nächstgrößeren Stadt? Aline aus Thüringen hat ihren Master in praktischer Archäologie auf den Orkney Islands vor der schottischen Küste gemacht. „Es war aufregend und viel zu schnell vorbei“, sagt sie heute.
Schon immer wollte Aline Archäologie studieren. Ihren Bachelor machte sie daher in diesem Fach in Freiburg. In ihrem Master-Studiengang auf Orkney wollte sie ihre Begeisterung für nordische Studien und Wikingerkunde einbringen. Ganz hat das nicht geklappt, der Studiengang bot kaum Seminare zu diesem Thema. Aber trotzdem hat Aline ihn nicht bereut. In Kirkwall hatte sie die Möglichkeit, als Studentin archäologisch tätig zu sein und praktische Erfahrungen zu sammeln.
Es kam so auf mich zu. Orkney hat vielmehr mich gefunden als umgekehrt.
Ungewöhnliche berufliche Wege
Auf die Frage, warum sie sich gerade für ein Studium auf Orkney entschied, erklärt Aline: „Orkney hat vielmehr mich gefunden als umgekehrt.“ Nur durch Zufall erfuhr sie während ihres Erasmus-Semesters von dem Studiengang „Archaeological Practice“ der University of the Highlands and Islands. Dieser Universität gehören 13 Colleges in ganz Schottland an – so auch das Orkney College in Kirkwall, der Hauptstadt der Orkney Islands. Ob sie sich vorher viele Gedanken über die Größe des Ortes oder die Lage der Uni gemacht hat? „Eigentlich nicht“, meint Aline, fügt aber hinzu, dass ihr die kleineren Orte ohnehin oft besser gefallen als die großen Städte.
Kleine Uni, große Möglichkeiten
Von dem Studiengang selbst war sie sofort begeistert, bot er doch viel Praxis auf dem schottischen Archipel. In den Kursen ihres Master-Studiengangs saß Aline durchschnittlich mit sieben Stu- denten. Wer nun aber glaubt, dass das Orkney College als eher überschaubare Universität nur eingeschränkte Möglich-keiten für ein praktisches Studium bietet, der irrt. Viele Einrichtungen der University of the Highlands and Islands sind gerade wegen ihrer abgelegenen Lage technisch gut ausgestattet: Per Skype können sich Studenten einwählen, um an Vorlesungen teilzunehmen. Auch können Dozenten von anderen Colleges zugeschaltet werden.
Kein Student mehr, sondern Archäologe
Der kleine Studiengang bot außerdem die Möglichkeit, dass die deutsche Studentin an vielen Ausgrabungen und Projekten selbst teilnehmen konnte: „In dem Moment ist man kein Student, sondern Archäologe.“ Diese praktischen Erfahrungen kommen aus Alines Sicht an deutschen Universitäten oft zu kurz. Besonders die gute Betreuung schätzt die angehende Archäologin sehr. „Weil wir nur wenige Studenten waren, gab es immer einen Ansprechpartner, der Zeit hatte zu helfen“, erinnert sie sich. Insgesamt war das Studentenleben an dem kleinen College lockerer als in Deutschland. „Wenn man in Deutschland eine Frist überschreitet, kann das Konsequenzen für das Studium haben“, berichtet Aline. „Auf Orkney habe ich gelernt, dass das Motto auch ‚Wenn du heute nicht kommst, kommst du halt morgen‘ heißen kann.“
Für die Praxis hatte Orkney der angehenden Archäologin einiges bieten. Beispielsweise durfte Aline an der bekannten archäologischen Grabungsstätte Ness of Brodgar mitarbeiten und viele Grabstätten untersuchen. Aber auch sonst gibt es für Naturinteressierte und Wanderbegeisterte auf den ca. 70, teilweise unbewohnten Inseln der Orkneys landschaftlich eine Menge zu entdecken. Ein Erlebnis ist Aline besonders in Erinnerung geblieben: Sie arbeitete während eines Projekts an einer Brandstätte, während hinter ihr die Klippen der Küste und der Atlantik in der Sonne lagen. „Es gab für mich in dem Moment keinen schöneren Ort, an dem ich sein wollte. Ich war einfach dankbar, dass ich dort sein durfte. Alles war perfekt.“
„Ich würde es immer wieder machen“
Hat sie sich auf der Insel trotz des aus- gefüllten Programms mal isoliert gefühlt? „Nur bei dem dichten Nebel, der dort manchmal herrscht“, gibt Aline zu. Denn in solchen Momenten könne man gerade mal ein paar Meter weit sehen. Ansonsten ist in der Stadt aber alles unmittelbar vor Ort: Es gibt einen Supermarkt und einen Pub, in dem regelmäßig Pub Nights stattfinden. An solchen Abenden treffen sich dort Stu- denten sowie Dozenten gleichermaßen. Auch ein Freizeitcenter gibt es dort, das ein Café, ein Fitnessstudio sowie ein Kino beherbergt. Hier, so Aline, bemerke man manchmal, dass man sich auf einer kleinen Insel befindet, denn in dem Kino laufen am Tag zwei Filme und auf die Blockbuster warte man oft etwas länger. „Grundsätzlich muss man auf Orkney auf nichts verzichten, es kommt nur etwas später an“, fasst Aline zusammen. „Vermisst habe ich daher nichts. Ich würde es immer wieder machen.“
ju – © Finde Academic