Estlands Nationalsport Kiiking
Einfach mal ausprobieren – Extremsport im Baltikum
Bungeejumping oder Fallschirmspringen war gestern – in Estland wird geschaukelt. Beim Kiiking, dem Extremschaukeln, geht es vor allem um eines: den Adrenalinkick beim Überschlag.
Ein Garten in Estland: Durch reine Körperkraft schwingt der Sportler Jaanus Koppel die Schaukel immer höher, weit über den Horizont hinaus. Kurz vor dem Überschlag bleibt er kopfüber stehen. Wie in Zeitlupe kippt die Schaukel auf die andere Seite und fällt hinunter. Die 360-Grad-Drehung ist geschafft. Die Zuschauer jubeln begeistert und Jaanus ist der Adrenalinstoß anzusehen.
Aller Anfang ist schwer – das weiß auch Raili Laansalu, Mitarbeiterin der Firma KIIKING, die estnische Spezialschaukeln produziert und vertreibt: „Mein Bruder und ich brauchten fast ein Jahr, bis wir die 360-Grad-Drehung schließlich schafften. Das größte Problem zu Beginn war, die Angst zu überwinden und Körper und Geist auf der Schaukel zu kontrollieren.“ Die Estin, seit ihrem achten Lebensjahr begeistert dabei, hat erfolgreich an zahlreichen Kiiking-Wettbewerben teilgenommen. Der Sport hat Suchtpotenzial. „Get high without drugs!“ ist schließlich auch der Slogan von Railis Arbeitgeber. Die Firma Kiiking exportiert die speziellen Schaukeln sogar ins Ausland und bietet sie zum Verleih an.
„Schaukeln aus Holz sind in Estland sehr beliebt und haben eine lange Tradition“, erklärt Raili. Anders als in Deutschland ist der Sitz nicht an einem Seil festgemacht, sondern an Holzstäben – sie erlauben es, besonders hoch zu schwingen. Um einen Überschlag zu ermöglichen, entwickelte der Este Ado Kosk 1993 eine Schaukel aus Eisenstäben, die in der Länge verstellbar waren und ersetzte die traditonellen Holzstäbe. Das war die Geburtsstunde des Kiiking. Je länger die Stäbe, desto schwieriger der Überschlag. Sicherheitshalber werden Hände und Füße an der Schaukel festgebunden. So kann man den Moment, in dem die Welt Kopf steht, genießen – ohne Angst in die Tiefe zu stürzen.
„Die Kiiking Wettbewerbe in Estland sind noch nicht sehr international. Das letzte Mal hatten wir aber einen Teilnehmer aus den Niederlanden dabei“, so Ants Tamme, ehemaliger estnischer Rekordhalter und Mitglied der Estonian Kiiking Federation. Der Verband veranstaltet regelmäßig Events, auf denen sich begeisterte Kiiking-Anhänger messen und Interessierte den Sport ausprobieren können. Sportler aus dem Ausland sind ausdrücklich willkommen. Also, auf nach Estland!
ks – © Finde Academic