Interview: Deutscher Medizinabsolvent im Ausland

Studium in Litauen – Anerkennung als Arzt in Deutschland

Nick Bullens studierte Medizin in Kaunas und schloss sein Studium 2022 erfolgreich ab. Nach Erhalt der deutschen Approbation arbeitet er jetzt als Arzt in Weiterbildung. Er berichtet über Studienabschluss, Anerkennung und Berufsstart.

Wie lief das letzte Jahr für dich als internationaler Medizinstudent an der LSMU?

Nick: Das letzte Jahr hatte einige Überraschungen parat vor allem im Bezug auf das Praktische Jahr oder wie ich es nenne, das \“praktische Halbjahr”. (Anmerkung: Im litauischen Curriculum sind im letzten, sechsten Studienjahr sechs Monate Praxiszeit vorgesehen. Vergleichbar mit dem deutschen PJ. Diese können in einem Land der Wahl, also natürlich auch in Deutschland, abgeleistet werden.)

Medizinabsolvent Nick bei der Verleihung seines Diploms an der LSMU Kaunas in Litauen.
Nick bei der Verleihung des Diploms in der großen Arena in Kaunas (Foto: Lithuanian University of Health Sciences Kaunas)

 

Die deutschen Kliniken verstehen diese Anforderung von sechs Monaten litauischem PJ oft nicht direkt und vergeben deswegen sehr oft keine PJ- sondern nur bessere Pflegepraktikums- bzw. Hospitationsplätze. Ich hatte Glück. Der Professor, der mich auch als Doktorand annahm, hatte mir einen vollen PJ-Platz angeboten, obwohl ich nur sechs Monate dort war. Ich musste mich oft erklären, aber allgemein hatten alle viel Verständnis für mich und ich hatte viel Spaß und durfte auch viel probieren und trainieren. Eine unschätzbar wertvolle Erfahrung, nachdem wir während der Corona-Pandemie nicht viel praktischen Unterricht erhalten hatten.

Wie genau sehen die Abschlussprüfungen in Litauen aus?

Nick: Die Abschlussprüfung selbst ist dreigeteilt, es gibt eine mündliche, eine schriftliche und eine praktische Prüfung. Die mündliche Prüfung ist eine Verteidigung der „Masterthesis“ (Anmerkung: Wissenschaftliche Abschlussarbeit des Medizinstudiums in Litauen). Die Arbeit schreibt man begleitend während des letzten Jahres und muss diese am Ende vorstellen und verteidigen. Hat man einen motivierten Supervisor wie ich, so ist es wirklich spannend und man wird viel Spaß haben. Das Thema kann man übrigens frei wählen oder man nimmt die angebotenen Themen. Jedoch werden diese nach deinem Notendurchschnitt vergeben und die guten Themen sind schnell weg. Ich hatte in der Masterarbeit 10 von 10 möglichen Punkten. Daher war die mündliche Prüfung nicht sehr umfangreich, weil meine „Masterthesis“ von Anfang an als sehr gut bewertet wurde.

Die schriftliche Prüfung besteht aus 200 Multiple-Choice-Fragen, welche am Computer getestet werden. Man wird sehr gut darauf vorbereitet. Ich hatte auch hier 10 aus 10 Punkten, habe darauf aber sehr gut und intensiv gelernt. Die praktische Prüfung besteht aus 20-25 Stationen, die man nacheinander ableisten muss. Hier werden Dinge geprüft, wie z. B. einen Blasenkatheter platzieren, gynäkologische Untersuchungen, Nähen von Wunden und Ähnliches. Hierfür hat man über das Hybrid Lab (Anmerkung: High-Tech-Trainingfacility der LSMU Kaunas) die Möglichkeit, diese ausgiebig zu üben. Bei dieser Prüfung spielt der Stress eine wichtige Rolle. Wenn man das Gefühl hat, etwas falsch gemacht zu haben, muss man sich zusammenreißen und weitermachen. Ich hatte 8 aus 10 Punkten, da ich ein paar Fehler gemacht habe.

Wann hast du offiziell das Diplom erhalten und wann die Approbation für Deutschland?

Nick: Am 28. Juni auf der Abschlusszeremonie der LSMU habe ich mein Diploma erhalten. Mit dem Antrag auf Approbation in Deutschland habe ich aber erst Ende August begonnen, da ich zuerst noch im Urlaub war. Die Approbation habe ich am 2. November 2022 erhalten. Der Prozess, in meinem Fall der bayrische, ist nicht wirklich gut erklärt. Rückfragen an das Amt (Anmerkung: Zuständig sind die Landesprüfungsämter der Bundesländer) sind teils sehr schwierig, da hier kein Telefonservice besteht und E-Mails nur sehr sporadisch beantwortet werden.

Das Wichtigste ist, dass man alle Dokumente in Litauen anfordern sollte. Die Universität schickt hierfür Links an die Studenten. Man sollte alle Dokumente sofort dort einem Übersetzer und einem Notar geben und unbedingt darauf hinweisen, dass der Stempel des Notars übersetzt sein muss und danach mit den Übersetzungen den Antrag stellen. Des Weiteren darf die geforderte Tauglichkeitsbescheinigung nur von einem Allgemeinarzt oder niedergelassenem Internisten ausgefüllt werden. Alle anderen Dokumente, wie auf der Webseite gefordert, müssen in Deutschland besorgt und dann gesammelt an das Amt geschickt werden. Das Amt will in vielen Fällen sowohl eine beglaubigte Kopie des Originals als auch eine beglaubigte Kopie der Übersetzung haben.

Spart also nicht am falschen Ende und beauftragt damit einen Notar. Übersetzer oder Ämter und andere Stellen werden fast nie akzeptiert. Sobald alle Dokumente beim Amt waren, dauerte es bei mir nochmal circa einen Monat, dann hatte ich die Approbation im Briefkasten und musste noch 200 Euro Gebühr bezahlen.

Was machst du zur Zeit und wie sind deine Zukunftspläne?

Nick: Ich bin nun in der Fachausbildung für allgemeine innere Medizin an der RoMed Klinik in Wasserburg am Inn und werde nach den fünf Jahren Fachausbildung noch weitere drei Jahre Fachausbildung in der Kardiologie ableisten, um zwei Fachausbildungen zu haben.

Welches Gefühl hast du, wie dein Abschluss aus Litauen in Deutschland, auch bei möglichen Arbeitgebern, wahrgenommen wird?

Nick: Das einzige, was zählt, ist die deutsche Approbation, alles andere ist in meinen Augen sekundär. Um das genauer zu erklären: Sobald man die deutsche Approbation vorweisen kann, wird jede Klinik, die Ärzte sucht, auch bereit sein dich einzuladen. Die Arbeitgeber schauen meiner Meinung nach zu 90% auf deine Motivation, und ob du bereit und fähig bist, die schwierigen Arbeitsbedingungen wie Schichtarbeit und Überstunden anzunehmen und nicht auf deinen Studienort.

Ohne dieses Dokument wird man konsequent ignoriert. Außer von Häusern, die eine hohe Personalfluktuation und Erfahrung mit ausländischen Ärzten haben. Dies sind meist Kliniken auf dem Land, welche gute Bedingungen und flache Hierarchien anbieten, um junge Ärzte anzulocken. Auch gibt es die Möglichkeit, sich durch Ärztevermittlungen kostenlos an eine Klinik vermitteln zu lassen.

Interview: ks© Finde Academic